Ja, die liebe Nachbarschaft. Jeder hat sie, nicht jeder mag sie. Ich mag meine Nachbarn allerdings. Das kann ich beinahe ohne Vorbehalt sagen. In den umgebenden 2-3 Häusern kenne ich zumindest jedes Gesicht, manche grüßt man nur im Vorbeigehen, bei anderen hält man auf einen Plausch, wieder andere sind Freunde.
Viele meiner Nachbarn sind allerdings etwas schräg. Schräg ist ein ziemlich weiter Begriff, dessen bin ich mir bewusst. Daher habe ich habe beschlossen ab sofort meine hier erlebten Anekdoten mit den Nachbarn zu erzählen um so deren ganz eigene Schrägheit zu vermitteln. Versuchen zu vermitteln vielmehr, die Nachbarn muss man eigentlich erlebt haben. Nur dafür müsste ich euch ja alle einladen und…Ach egal jetzt.
Drauf gebracht hat mich ein kurzes Ereignis vor dem Haus. Gerade gestern war’s gewesen. Ich schloss arglos mein Fahrrad auf, wollte im Prinzip gerade los, werde aber nach kurzem Gruß einer Nachbarin in meinem euphorischen Start gebremst. „Sag mal Basti, hast du die bestellt?“ Obwohl ich direkt danneben stehe muss ich mich erst umgucken um zu verstehen, dass sie die Halteverbots-Schilder meint, die seit Wochen die Parkbucht vor dem Haus „blockieren“. Sie blockieren natürlich nicht wirklich, denn es hängt ja nicht ohne Grund ein Zettel mit dem Datum des Parkverbots dran. Dem Datum vor zwei Wochen eben. Nur weil dort jetzt mein Auto parkt, habe ich ja nicht die Schilder bestellt. Ein Privatparkplatz vor der Hütte wäre schön, aber ich bin leider nicht Krösus und bestelle persönliche Halte-Verbotsschilder. Das kann man offensichtlich auch anders sehen, aber egal. Das war ja nur die Einleitung unserer Unterhaltung, die ich eigentlich schon hoffnungsvoll als beendet betrachtet hatte.
Sie wollte mich gerade ziehen lassen, ich hatte schon einen Fuß auf der Pedale und war drauf und dran Kette zu geben. Da dreht sie sich um, sieht eine Frau den Gehweg in unsere Richtung gehen uns sagt:“Boah, ich warte noch bis die Alte vorbei ist.“ „Alt“ ist in dieser Situation nicht wirklich auf den Jahrgang der gemeinten Person gemünzt, denn die war locker 25 Jahre jünger, machte allerdings einen ähnlich verlotterten Eindruck wie manch einer meiner Nachbarn. Sie hätte im Prinzip gut in deren lustige abendliche Runde mit vieeeeel Getränken gepasst. Das kann die subjektive Alters-wahrnehmung ja auch schon mal beeinflussen.
Ich schaue sie fragend an, im Prinzip konnte ich an der „Alten“ nichts Auffälliges entdecken. Die geht dann auch reaktionslos vorrüber. Aber nicht ohne einen nierderträchtigen Blick der Nachbarin geerntet zu haben. Sie erläutert mir die Situation: „Der hab ich letztens eine runter gehauen!“ Ich muss mir das Lachen verkneifen, schaue sie statt dessen nur noch fragender an.
„Die geht letztens hinter mir und boxt mich in den Rücken. Einfach so. Ich hab dann meine Einkaufs-Taschen fallen lassen und ihr eine rein gehauen!“
Mein Gesicht ist inzwischen zu einer fragenden Fratze verzehrt. Soviel Mimik hätte es allerdings gar nicht gebraucht. Die Nachbarin erzählt auch unaufgefordert weiter. Natürlich. „Die kommt aus dem Behindertenheim um die Ecke, hat nicht alle Tassen im Schrank.“ Ich kann mir das Lachen nicht mehr verkneifen, schaffe es aber die Mundwinkel noch zu einem Lächeln abzufälschen.
„Wenn du der richtig Eine gibst, dann bist du am Ende noch der Arsch nä!“
„Ääääh, ja.“ nuschele ich mir in den Bart, drehe mich schnell weg, muss lachen und nutze endlich den taktischen Vorteil des Fußes der noch immer auf der Pedale ruht. „Tschüss nä!“