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Ende 2012 gingen wir auf Free Gzuz Tour. (…) Konzerte in 16 Städten der Republik. (…) Zu den Auftritten kamen zwischen 250 bis 800 Menschen. Es war eine große Party. Heute treten die Jungs vor 9000 Menschen auf und überall, wo sie sind, herrscht Ausnahmezustand. Zurück in Hamburg, wusste ich nicht wohin. Ich war auf der Straße. Ein bisschen Bares in der Tasche, um ein paar Tage im Ibis zu übernachten, dann ging es wieder an den Hafen auf die Holzbank im Park bei den Palmen aus Plastik. Mein Leben war voller Kontraste.

So schreibt Dominik Bloh im Blog des Ankerherz Verlags von der Freundschaft und Zeit mit der 187 Strassenbande vor deren Durchbruch. 11 Jahre während der er immer mal wieder auf den Straßen Hamburgs lebte. Morgen kommt sein Buch heraus.

Wir treffen uns vor dem Sommersalon auf dem Kiez, wo er zu Gast bei den „Wohnzimmergeschichten“ ist. Dominik hält sein Buch in den Händen, lächelt stolz. Wir blättern kurz darin, nehmen einen tiefen Zug vom frischgedruckten Duft, bevor wir reingehen. Kurz vor Release haben wir gefühlt fünf Minuten Zeit, uns zu unterhalten. Speed Dating. Zwei Menschen, drei Fragen, drei Antworten.

Du hast ein Buch geschrieben, Hanseatic Help mitbegründet, einen festen Job und ein Zuhause. Was ist passiert?

„Ich habe mich verändert. Ganz viel dieser Veränderung ist mit der Kleiderkammer passiert und der Situation 2015, als so viele Geflüchtete nach Hamburg gekommen sind. Da habe ich im Hauptbahnhof all die Menschen vor den Shops liegen sehen, und dachte, das ist mein Leben, das ist das, was ich kenne. Die Leute lagen mit Isomatten vorm Body Shop, wo jeden Tag Leute reingehen, um sich Körperhygiene zu kaufen. Ich kenne das Leben, wo man irgendwo auf dem Boden liegt und kein Teil davon ist. (…) Das hat auch meine Situation real gemacht. In dem Moment dachte ich aber, es gibt immer Menschen, die es noch schwerer haben und ich wollte helfen. So bin ich damals zur Kleiderkammer gekommen und von da an, habe ich mich verändert, bin anders mit mir und meiner Situation umgegangen. (…) Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich etwas verändern muss, damit es nicht so bleibt, wie es ist. Es ändert sich nur was bei Dir selbst, damit muss es losgehen.“

Welche Rolle spielt Musik bzw. Hip Hop noch in Deinem Leben?

„Hip Hop ist alles. Ich habe mir mit zehn Jahren mein erstes Hip Hop Album geholt, Jay-Z „Hard Knock Life“. Hip Hop hat mich mein Leben lang begleitet, es war keiner da für mich, außer Hip Hop. Ich war als Jugendlicher allein und Hip Hop hat mich beeinflusst, geprägt, mir Sachen beigebracht. (…) Das ist bis heute geblieben. Wenn ich mir was wünsche, dann, dass ich Musik mache. Das ist das Nächste, was ich versuche. Ich nehme gerade ein Album auf, es soll „30“ heißen und rauskommen, wenn ich 30 werde.“

Bist Du jetzt jemand anderes oder hast Du Dich jetzt erst gefunden?

„Ich habe mich vor zwei Jahren gefunden. Seitdem bin ich ein Fels in der Brandung, ich werde mich nie wieder selbst verleugnen. Ich habe so viel Negatives erfahren, durch die Sachen, die ich gemacht habe, die nichts mit mir zu tun haben, wo ich mich immer mehr entfremdet habe. (…) Das ist das Wichtigste, man selbst sein, authentisch sein. Alles Gute kommt zu denen, die echt bleiben.“

Wir bleiben noch ein wenig auf dem Sofa sitzen, rauchen eine, quatschen übers Schreiben, bevor Dominik auf die kleine Bühne zur Talkrunde gerufen wird.

Die komplette Geschichte erzählt er jetzt in „Unter Palmen aus Stahl“ und kehrt Mittwoch erneut ins Gruenspan zurück, wo er vor Kurzem das erste Mal bei der immer ausverkauften Tagebuchlesung der Clubkinder gelesen hat. Auch mit der Location verbindet er Erinnerungen:
„Im Grünspan habe ich auch mein erstes Konzert besucht. (…) Manchmal hatte ich keinen Cent, dann habe ich versucht, mich irgendwie reinzuschleichen. (…) Meistens stand ich während der Show draußen vor den Türen und habe den dumpfen Bass gespürt.“
Morgen steht er nicht draußen, sondern auf der Bühne und liest aus seinem Buch vor. Hier wird nicht nur das Release gefeiert, Dominiks Worten und Livemusik gelauscht, sondern gleichzeitig mit den Clubkindern Spenden zugunsten Hinz & Kunzt, dem Hamburger Strassenmagazin gesammelt. Der sehr faire Eintritt von 5,- € fließt direkt dorthin. Wir sind uns sicher, uns erwartet nicht nur eine bewegende und spannende Lebensgeschichte eines jungen Mannes, der eine Menge erlebt und geschafft hat – sondern auch ein ganz besonderer Abend mit viel Hamburg & Herz im Gruenspan.

Unter Palmen aus Stahl – Book Release. Lesung & Musik. | 22.11.17 | 20.00 Uhr | 5,- Euro Spende

Text, Interview & Fotos: Lilli Gavric